28. – 30. Juli 2020, 10 – 13 Uhr
Vielen Dank an den Kritiker, Kurator und Künstler Andreas Schlaegel für sein Seminar Auf Wiedersehen im Reich der Sinne, Teil 2 und die Arbeitsbesprechungen mit unseren Teilnehmer*innen innerhalb des Studioprogrammes am BAI | Kunstschule, Kunstinkubator, Artist in Residence und und Live Onlinekurse & -klassen in Berlin.
„Eine der nachhaltigsten Definitionen von Kunst lieferte vor exakt einhundert Jahren der Künstler Paul Klee: «Die Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar» Ursprünglich bezog er sich auf die von ihm favorisierten grafischen Künste, und schlug vor, diese nicht so sehr auf ihre Grenzen zu reduzieren, sondern vielmehr die Möglichkeiten die sich aus ihr ergäben .
Heute, tief erschüttert von einer globalen Pandemie, aber auch ermutigt durch den weltweiten Erfolg der Black Lives Matter Bewegung, erscheint es wichtiger denn je, den Blick darauf zu richten, wie wir Künstler die sich ständig verändernde Welt reflektieren können, und was „sichtbar machen“ eigentlich bedeutet.
Betrachten wir die Bilder, die auf den sozialen Medien geteilt werden, lässt sich erkennen, daß alles visuell Dargestellte zunächst durch das Nadelöhr der digitalen Fotografie gezwängt werden muss. Aber wie verändert dies das Dargestellte, das Bild, und die Betrachter? Vergleichen wir ein Ölgemälde im Museum mit einer Insta-Story auf dem Handy: müssen wir überdenken, was das Gemälde heute ausmacht? Wenn die Materialität des digitalen Bildes nur als Abfolge von Codes in Speichermedien vorstellbar ist, die sich im ständigen Fluss zwischen einer scheinbar immateriellen „cloud“ und stationären Rechnern befinden, wer profitiert dann vom Bild, dessen Verbreitung und letztlich dem Datenverkehr den dies produziert? Wer verliert, und was? Welche Bildgattungen werden auf diese Weise neu erschaffen, welche verschwinden? Kann sich ein einzelnes Bild noch gegen die inflationäre Bilderflut behaupten, geschweige denn durchsetzen? Oder haben wir endgültig den Zeitpunkt erreicht, an dem wir über Kunst nur noch jenseits des Bildes nachdenken müssen, und uns von der Sinnlichkeit direkten Erlebens verabschieden müssen?
Im ersten Teil werden wir verschiedene Stränge der Kunstgeschichte untersuchen, um Hinweise darauf zu erhalten, wie Sichtbarkeit hergestellt wurde. Zu den Strategien, die wir betrachten werden, zählen die verschiedenen Ansätze mimetische Bilder zu schaffen, aber auch die Unzahl von Symbolen, Metaphern und Narrativen, die daraus abgeleitet wurden. Daraus werden wir auch Rückschlüsse zu ziehen, welche sinnliche und rationale Kapazitäten den Betrachtern des Bildes zugetraut wurde.
Aufbauend auf diesen Untersuchungen werden wir im zweiten Teil die junge aber komplexe Geschichte des Bildes in der digitalen Welt betrachten, und dessen Beschränkungen und das Potenzial erforschen, mit dem Ziel daraus Ideen abzuleiten, die diese Ideen weiterentwickeln, oder als Gegenmodell taugen könnten, um unsere eigenen Vorstellungen zu formulieren, was von der Kunst zu erwarten sein könnte, für die Gegenwart aber auch für die Zukunft.“ (Text: Courtesy Andreas Schlaegel)
Andreas Schlaegel (*1966 in Kinshasa, DRC) lebt in Berlin und ist als Kritiker, Künstler und Lehrer aktiv.
Seine Essays, Porträts und Kritiken erscheinen seit Ende der neunziger Jahre in internationalen Kunstzeitschriften, wie Flash Art International (Mailand), Frieze (Berlin/London), Billedkunst (Oslo), /100 (Berlin), Kunstkritikk (Kopenhagen) und anderen, sowie in Publikationen des UCLA Hammer Museum, Los Angeles; MUSAC, Leon; Aspen Museum, Colorado; Schirn Kunsthalle, Frankfurt/Main; Thyssen Bornemisza Contemporary, Vienna; Kunsthalle Düsseldorf; Julia Stoschek Collection, Düsseldorf und Berlin, und vielen anderen.
Seine künstlerisches Interesse Arbeit zielt auf das Spannungsfeld von künstlerischen Einzelpositionen wie beispielsweise in der Malerei, und kollaborativen und diskursiven Formaten ab. Diese Praxis schließt auch genre-übergreifende Musikprojekte mit ein, wie aktuell die Zusammenarbeit mit Silke Wagner und dem ACO (Art Critics Orchestra, mit Raimar Stange, Micz Flor, u.a.) zu sehen im Synnika Kunstraum, Frankfurt a.M., das Duo Die!Landschaft mit Manfred Peckl, sowie weitere Kollaborationen, wie Come early, avoid disappointment mit der Gruppe Gelitin bei TBA21 in Wien und der Venedig Biennale, 2011, oder The Art of Conversation mit Paolo Chiasera und Matthew Antezzo, PSM Galerie, Berlin, 2013, das »rhizome« Netzwerk an der HfbK Hamburg (seit 2015), oder t=600 mit Nine Budde, Bretz/Holliger und Melou Vanggaard im Standortfriedhof Berlin.
Zur Zeit lehrt er an der Novia Universität, Jakobstadt in Finland. Seminar der Hfg Offenbach. Sein Seminar Digitale Gegenwart – Fototheorie und -geschichte findet ausschließlich online statt. Im Herbst 2016 war er Kurator des zweiteiligen Symposion Superslick Surfaces im Art Institute Overgaden, Kopenhagen, zum Phänomen post-internet-Kunst.