Besonders entlang der Gustav-Adolf-Straße fallen sie auf: Pla­kate mit großen, grellroten Punkten in den meisten Fenstern der Geschäfte auf beiden Straßenseiten – vom Caligariplatz bis zum Hamburger Platz, mit diversen Abstechern in die Lang­hansstraße. Rote Punkte? Die erhofft man sich normalerweise in Kunstausstellungen in Galerien. Klebt einer neben einem Bild, so heißt das: Verkauft!

“UHU – Werke unter hundert Euro”

In Weißensee bedeuten die Punkte erst einmal: Hier gibt es Kunst zu kaufen. Wobei es auch bis zum Kassenklingeln kein allzu großer Schritt sein sollte – schließlich sind sämtliche in den Geschäften ausgestellte Werke zu Preisen unter hundert Euro zu erwerben. Und das ist in allen Fällen ein guter Preis: Die Ausstellung “UHU – Werke unter hundert Euro” wird von der Kunsthalle am Hamburger Platz veranstaltet. Die Ausstellungshalle der Kunsthochschule Weißensee rollt auf diese Weise bereits zum zweiten Mal den Kunstmarkt von unten auf – im letzten Winter in der Vorweihnachtszeit konnten auf diese Weise um die 250 Arbeiten verkauft werden.

Kunst als Kommentar der Realität

Dieses Mal ist UHU ein Satellit. Die Arbeiten der Studierenden, aber auch von etablierten Künstlern aus Berlin und Anderswo wurden vom Kunsthallenteam kuratiert und in den Geschäften installiert. Sie gehen mit der Umgebung der jeweiligen Geschäfte eine stille, originelle und gegenseitig frucht­bare Verbindung ein. Bisweilen funktioniert die Kunst als Kommentar der Realität, oftmals ist es auch umgekehrt. “Trost” titelt eine Plakette des Berliner Künstlers und Ausstellungsmachers Ralf Schmitt, die nun über der Tür zum Raucherraum des Asia-Restaurants hängt. Eine Collage des Kölner Künstlers Lars Breuer, die das Haupt der Medusa zeigt, hat ihren Platz in der Apotheke über den Kopfschmerztabletten gefunden, die nüchternen Collagen aus Stein-Fotografien des Düsseldorfers Sebastian Freytag hängen nun in der Bäckerei Schnell auf einer steinernen Zierwand. Der Berliner Künstler Arno Bojak steuert überarbeitete Unterwäschemodels bei – sie fallen im Schaufenster des Dessousgeschäfts drunter & drüber kaum auf und sorgen erst bei näherem Hinsehen für Irritationen.

Im Nagelstudio “Happy Nails” hängt nun ein monochromes Bild von Manfred Schneider, das mit Nagellack gemalt wurde. Mes­ser, Gabel, Zwiebel und Rüben von Manfred Fuchs landeten fol­gerichtig im Feinkostgeschäft Nemo. Zur reinsten Spielwiese der Verweise wurde der Kiezmarkt an der Ecke zur Streustraße mit Werken von Larissa Aharoni, Katharina Lüdicke, Thorsten Prothmann und anderen. Nein, White Cube ist das hier nicht. Vielmehr benötigen sowohl die Kunstwerke als auch die gastge­benden Geschäftsinhaber und Kunden eine Portion Offenheit, um zusammen kommen zu lassen, was augenscheinlich zusammen möchte. Der Spaziergang vom Caligariplatz zum Hamburger Platz mit wachen Augen lohnt zum einen wegen der unerwarteten Eindrücke, der Kombinationen und auch der schönen Einzelwerke, die es zu finden gilt. Und zum anderen natürlich wegen der Gelegenheit, hier manch Kunstwerk zu erwerben, das im Galeriebetrieb durchaus teurer angesiedelt ist.

“Die sehen aus, als ob die ganz einfach hier her ge­hören!”

Und wie sich die Kunst in den Geschäften schlägt? Ganz unter­schiedlich. “Ich werde oft danach gefragt”, so die Inhaberin des Weißenseer Kunststübchens in der Langhansstraße. Aber auch: “Das merkt doch niemand, dass man die Bilder kaufen kann.” heißt es im Schmuckatelier. “Die sehen aus, als ob die ganz einfach hier her ge­hören!”

Ob die Bilder in den Geschäften verbleiben oder vor dem Herbst ei­nen neuen Besitzer finden – zur Art Week Berlin kehrt die Idee, Kunst durch günstige Preise auch unter das Volk zu bringen, an den Ort ihres Ursprungs zurück. Dann wird aber aufgeschlagen: “UTA – Werke unter Tausend” wird in der Kunsthalle am Hamburger Platz am 15. September eröffnet.

Julia Brodauf in http://www.berlinonline.de